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Holz: Zu wertvoll für gedruckte Werbung

Thomas Kern

Updated: Jan 5

Von Thomas Kern




Der Wandlung ins Computer-Zeitalter lag einst auch der Gedanke nachhaltigen Handelns zugrunde. Digitale Techniken sollten auch den gigantischen Holzverbrauch drastisch reduzieren.  Das ist nicht gelungen.  Allen guten Vorsätzen zum Trotz wuchs der weltweite Bedarf an Papier laut WWF von beispielsweise 130 Millionen Tonnen im Jahr 1970 auf stattliche 415 Millionen Tonnen im Jahr 2019 und erreichte jüngst 500 Millionen Tonnen. Laut „NaBu“ werden in Deutschland jährlich 19 Millionen Tonnen Papier mit Werbung bedruckt, die sich in 28 Milliarden Prospekten und Katalogen sowie in 46,7 Milliarden Anzeigenzeitungen wiederfinden.

Versicherungskonzerne, Behörden, Landes- und Kreisverwaltungen stehen diesem Papierverbrauch in nichts nach: Allein das Bafög-Hauptamt druckt wöchentlich zwischen 35.000 und 50.000 (fünfzigtausend) DIN-A4-Seiten aus, obwohl die Daten online verfügbar sind. Hinzu kommen Millionen Zeitungen und Magazine sowie zig Millionen gedruckte Bücher. Das Umweltbundesamt stellte zudem für 2021 einen unfassbar hohen Anstieg von Verpackungen in Form von Papier und Karton auf 19,7 Millionen Tonnen fest. Trotz dieser Mengen verbraucht die Papierherstellung mit weniger als zehn Prozent den geringsten Teil des Baumbestandes. Holzhäuser, Fußböden, Baumaterial und Möbel sind gefragt wie niemals zuvor. Mehrfache Verteuerungen des Rohstoffs schadeten dem Absatz nicht.

Neben der verwertenden Rodung für Papier, Möbel- und Bauwirtschaft fielen insbesondere in Deutschland unfassbar große Baumflächen der Witterung, Großbränden und Schädlingen zum Opfer. Mittlerweile setzen die Waldflächen in Deutschland mehr CO2 frei, als sie in Form von Kohlenstoff binden können. Zum Schaden des Klimaschutzes. Dabei geht es nicht nur unseren heimischen Wäldern dramatisch schlecht, sondern der gesamte weltweite Waldbestand reduzierte sich in nur wenigen Jahren um fast 27%.

Relevante Wälder müssen bewahrt und geschützt werden. In diesem Sinne verabschiedete das EU-Parlament ein Gesetz zur Nachweispflicht für Holz in der papierverarbeitenden Industrie, das Ende 2024 in Kraft tritt. Laut „EU-Entwaldungsverordnung“ müssen Erzeugerland, Geokoordinaten des Grundstücks, auf dem das Holz wuchs und der Zeitpunkt der Erzeugung exakt dokumentiert werden. Betroffen sind nicht nur Papierfabriken, Verlage und Druckereien, sondern letztlich auch HerausgeberInnen von Büchern, die über Logistikunternehmen wie Libri oder Zeitfracht in den Handel gelangen sollen. Die Logistiker unterscheiden nicht zwischen aktuell, also neu gedruckten Werken und Büchern, die vor einigen Jahren gedruckt wurden. Sie fordern die Daten und Dokumente zukünftig für jedes angelieferte Buch, egal wann es gedruckt wurde. Doch kaum eine Druckerei kann die erforderlichen Daten für zurückliegende Auflagen übermitteln. Dies wird auch dadurch erschwert, dass nicht jede Auflage aus einer bestimmten Papierrolle resultiert. Zudem ist es nicht unüblich, Papier aus verschiedenen Holzlieferungen zu produzieren.  Noch komplizierter, wenn überhaupt machbar, wird die genaue Daten-beschaffung für Recycling-Papier, das aus einer Vielzahl verschiedenster Altpapiere hergestellt wird. Libri und Zeitfracht nutzen die neue Möglichkeit letztendlich auch um Bestellungen von wenig nachgefragten Büchern einzustellen und nötigen Verlage neue Konditionen auf.  Die Vielfalt an Büchern wird jährlich geringer.

Grundsätzlich stellt sich aber die Frage der Kontrolle. Das mit Abstand größte Erzeugerland für Papier ist China, dicht gefolgt von den USA, Japan und Finnland. Afrika steht derzeit an 7. und Kanada an 8. Stelle des Erzeugervolumens. China wiederum produziert Papier und Möbel mittlerweile zum beträchtlichen Teil aus brasilianischem Holz. Die dort staatlich unterstützte Holzwirtschaft ist bekanntlich skrupellos und rodet gigantisch große Gebiete des Regenwalds zur Gewinnung von Edelhölzern und zur Steigerung der Masse insgesamt.  Bäume sind viel mehr als nur eine Ware. Wälder sind zum Klimaerhalt und im Artenschutz zwingend erforderlich. Aber wer will und kann in Brüssel die kommende Datenflut überprüfen?

Die Ressourcen der Erde sind nicht nur erschöpft, sondern oftmals schon aufgebraucht.  Wie in der heftig diskutierten „Mobilitätswende“ sind wir in Erfindungen ökologisch notwendiger und ökonomisch machbarer Alternativen nicht schnell genug. Papier aus Gras, Hanf oder Bambus nebst verschiedenen Mischungen und Plantagen mit schnell wachsenden Hölzern wie beispielsweise Paulownia stimmen hoffnungsvoll, doch bis klassisches Holz für alle genannten Bereiche wirkungsvoll ersetzt werden kann, bedarf es noch vieler Jahre. Hier wären EU-Verordnungen und Fördermittel mindestens ebenso wichtig, wie beispielsweise Einfuhrbeschränkungen, die über die bisherige EU-Holzverordnung hinausgehen, (VO-EU Nr. 995/2010, so genannte European Timber Regulation).

 

Die neue europäische „Entwaldungsverordnung“ ist sicherlich sinnvoll, jedoch weder ausreichend noch im Geschäft mit Büchern rückwirkend umsetzbar. Sind E-Books eine wunderbare Alternative? Die Verkaufszahlen signalisieren das nicht.

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